Die perfekte Location und wie man lernt sie zu sehen!
Wie nimmst Du eigentlich Deine Umgebung wahr?
Jeder Mensch hat ein anderes Gefühl und Gespür dafür, was in seinem Umfeld passiert.
Ich wage zu behaupten, dass manche Menschen sogar fast blind umher laufen und kaum etwas wahrnehmen. Insbesondere die Kleinen Dinge die den Alltag verschönern.
Sei es ein Vogel, der auf einem Baum sitzt. Ein Marienkäfer der auf einer wunderschönen Blüte landet, die Sonnenstrahlen, die dem Boden küssen, wie der Schnee glitzert oder der warme Wind die Nase streift. Diese Dinge nimmt jeder Mensch auf eine andere Art und Weise wahr. Genauso ist es mit unserer Umgebung.
Hand hoch, wer von Euch schaut sich die Kieselsteine an, auf denen wir gehen?
Als Kind habe ich das durchaus gemacht. Es gab kaum etwas Schöneres für mich als Steine zu suchen, am besten die mit Farbe und Glitzer! 😉
Um seine Umgebung aber auf die Weise wahrzunehmen, wie es ein Fotograf tut, braucht es nicht nur ein geschultes Auge sondern meiner Meinung nach Vorstellungskraft und somit Phantasie.
Wer mich kennt, der weiß, dass Phantasie in meinem Leben eine große Rolle spielt. Das eigene Universum kann damit unendlich gefüllt werden und diese Welt existiert dann nur für mich.
Sieht man nun ein kleines Waldstück auf einer sonst freien Fläche, sind da bestimmt diejenigen die sich darüber keine Gedanken machen und dann sind da die, die sich ausmalen, welche Tiere dort wohl leben. Ist der Boden mit Tannennadeln übersät oder aus Moos? Ob es eine Lichtung gibt auf der ein Reh grast? Vielleicht gibt es auch Lila Schmetterlinge. Zur letzteren Sorte gehöre ich.
Von einem Gedanken zum nächsten. Nicht umsonst hatte man mir als Kind nachgesagt, ich wäre eine Traumtänzerin. Na und, das bin ich heute noch. Etwas, das ich mir aus meiner Kindheit behalten konnte. Zum Glück.
Unvorstellbar, ohne solche Gedanken durch die Welt zu laufen! 😉
Nun, so wie ich also diese paar Bäume sehe, sehe ich auch meine unmittelbare Umgebung. Wenn ich irgendwo entlang laufe, schweifen meine Augen umher, immer auf der Suche, nach einem Fleckchen, das mich direkt anspringt. Ich sehe etwas, sei es ein Stein, ein Baumstamm, ein Zweig oder ein Grashalm… dann weiß ich auch in dem Moment, was ich damit machen möchte. Sprich, wie ich es sehe – darauf kommt es an.
Als Fotograf hört man oft, Du hast ein gutes Auge. Ja, das ist wohl war. Und viele Kunden sagen dann, sie könnten das nicht, für sie würde alles gleich aussehen.
Insbesondere möchte ich hier auf ein Shooting eingehen, welches ich im Februar hatte. Die Besitzerin von Samy sagte, sie ist schon gespannt, wie die Bilder wirken wenn sie fertig sind, denn sie hat leider kein Auge für gute Locations. Inspiriert durch ihre Aussage kam nun dieser Blogbeitrag ins Leben. Ich möchte Euch zeigen, wie „einfach“ es ist, tolle Locations zu finden.
Wir haben uns in einem Naturschutzgebiet getroffen. Ich war selber schon ewig nicht mehr dort und wusste also auch nicht, was mich erwarten würde.
Wir standen auf dem Parkplatz, ich sah mich kurz um, und ich wusste, in welche Richtung es mich zog.
1. Location – Der Baumstamm
Mitten im Unterholz und dem Gestrüpp liegt dieser Baumstamm auf dem Boden. Was mir allerdings direkt auffiel war, dass der Baumstamm eine wunderschöne geschwungene Rinde hatte, in den selben Farben wie Samys Fell. Das würde also perfekt harmonieren. Da der Stamm auf dem Boden liegt, ist fast klar, dass auch der Hund sich relativ klein machen muss, damit die Farben zur Geltung kommen.
Im Bild links seht ihr also den Baumstamm. Ich habe die Position von Samy immer rot umrandet, so kannst Du besser zuordnen, wo und wie ich den Hund platziert habe.
2. Location – Die Bank
Die Bank selbst steht ca. 5 Meter von Location 1 entfernt. Diese hatte ich daher schon zuvor entdeckt. Hier war es mir besonders wichtig, dass Samy´s Kopf zwischen den Bäumen im Hintergrund ist und man so einen freien Blick auf seinen Kopf hat. Um das gesamte Bild etwas größer und erhabener wirken zu lassen, habe ich Samy mit den Vorderpfoten auf die Bank stellen lassen. Sitzen wäre mir hier zu langweilig gewesen und darauf liegen, wäre für das Bild zu flach gewesen. Zumindest für meine Interpretation des Gesamtbildes!
3. Location – Der Stein
Hier könnte man sich im Vorbeilaufen wohl denken „So ein hässlicher, eckiger Stein. Passt irgendwie gar nicht ins Bild“. Wenn man aber genauer hinsieht, fällt auf, dass der Stein wunderschön mit Moos bewachsen ist und wenn man sich dem Stein nähert, fällt weiterhin auf, dass auch die Äste des Baumes im Vordergrund mit aufs Bild gebracht werden können.
Ich bin also einmal drum herum gelaufen und habe mich dann rückwärts vom Stein entfernt um mein Sichtfeld perfekt zu dem Stein einzustellen. Samy machte glücklicherweise wunderbar mit und blieb anstandslos auf dem Stein sitzen!
4. Location – Der zweigeteilte Baum
Ganz offensichtlich verhält es sich mit dem Baum. So eine tolle Gabelung, so klein und irgendwie unwirklich steht er da ganz alleine. Für mich war klar, damit müssen wir etwas anfangen.
Samy wusste nun schon, dass er das Model in einem Fotoshooting ist und stellte sich fast von alleine mit seinen Vorderpfoten auf den Baum! Ich fand die Pose wunderbar und so entstand dieses Foto. Manchmal dürfen die Posen auch einfach aus dem Moment heraus entstehen, finde ich!
5. Location – Der Steinhaufen
Im vorbeigehen habe ich diesen wild aufgeschütteten Steinhaufen wahrgenommen. Wir haben einfach ein bisschen probiert wie wir Samy am besten platzieren, damit es schön aussieht. Im Sitz wirkte es irgendwie nicht so gut und so haben wir ihn einfach stehen lassen. Ein toller Moment mit seinem zwinkernden Auge ist dabei entstanden. Die Komposition mit den vertrockneten Grashalmen, den Steinen die unter der Schneedecke hervorspitzen und die verschneite Märchenstimmung finde ich persönlich sehr gelungen. Im Nachhinein hätte ich Samy noch anders platzieren sollen aber es ist wie es ist. Eventuell hätte ich ihn mir noch etwas schräger zur Kamera gestellt. Aber es geht ja in erster Linie um die Location. Auch hier finde ich, kann man gut erkennen, was ein paar Steine und Grashalme ausmachen!
6. Location – Der Baum
Für dieses Bild kam mir einfach eine Eingebung. Ich sah den Baum in der Ferne und hatte sofort dieses Bild hier im Kopf. Ich kann gar nicht genau sagen, warum. Ich hab´s einfach gemacht und liebe es.
Oft habe ich dazu gehört wie unscheinbar das wirkt und sie selbst würden nie auf die Idee kommen einen so weit entfernten Baum zu sehen oder gar zu nutzen.
Hier sind wir wohl wieder bei der Phantasie angelangt. Man sieht etwas und hat ein Bild im Kopf.
Wie ihr seht, habe ich die jeweiligen Locations bewusst aus dem Blickwinkel eines Betrachtes aufgenommen. Im Stehen und mit einem größeren Sichtfeld, sodass auch hoffentlich gut nachvollziehbar ist, was das Auge Drumherum noch wahrnehmen kann. Es gehört sicher auch Vorstellungskraft dazu, wie ein Bild später aussieht und wie das Motiv wirkt. Aber das Wichtigste ist, dass man sein Umfeld ganz genau wahrnimmt.
Um dieses Gespür zu verbessern kann möchte ich Dir nachfolgend gern ein paar Tipps geben:
- Gehe langsam und nimm Dir Zeit
- Wenn Dich etwas anspricht, dann verkleinere Dein Sichtfeld
- Achte auf störende Elemente in der Umgebung
- Bevor Du loslegst, inspiziere die Location aus verschiedenen Blickwinkeln
- Nutze das Licht zu Deinen Vorteilen (Hierzu folgt in Kürze ein gesonderter Blogbeitrag)
- Mache vorher ggfs. ein paar Testbilder um zu sehen wie das Bild wirkt
- Lasse Dich von anderen Fotografen oder Bildern inspirieren
- Gehe mit offenen Augen durch die Welt und mache Dir immer wieder Gedanken zu dem was Du siehst
Ich hoffe, dass Dir meine Tipps vielleicht ein wenig geholfen haben oder Dir mein Beitrag etwas Mut macht, denn Location ist nicht immer etwas „ganz Besonderes“ denn auch mit Unscheinbarem kann man tolle Bilder entstehen lassen.
Wenn Dir mein Beitrag gefallen hat, freue ich mich natürlich über einen Kommentar von Dir! 🙂
Liebe Grüße, Deine Verena